Neue Debatte - Beiheft #007 - 04/2017 Atomisierte Wissenschaft

NEUE DEBATTE THE MAGAZINE BY THE PEOPLE FOR THE PEOPLE B E I H E FT Nr. 7 20.03.2017 Reinhard Paulsen A TOMISIERTE W ISSENSCHAFT : E RKLA REN UND V ERSTEHEN GEHO REN ZUSAMMEN Die Neue Debatte ist eine Plattform für kritische Diskussion und Meinungsbildung. Sie macht auch vor den alten Bildungskonzepten nicht halt. Die Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften ist so ein angestaubter Ladenhüter. In einem kurzen Artikel will Christan Ferch uns den Unterschied zwischen „Erklä- ren“ und „Verstehen“, zwischen Naturwis- senschaft und Geisteswissenschaft „erklä- ren“ oder „verstehen lassen“. zu leicht gekonnter Rhetorik von politi- schen Verführern auf den Leim geht und, ohne es zu merken, für Sachen einge- spannt wird, die man eigentlich gar nicht haben möchte. Allerdings macht er eigentlich nichts von beidem, sondern belässt es bei der Er- wähnung eines alten Ladenhüters bürger- lich-idealistischen Bildungsbürgertums, mit dem noch heute die Studenten in den entsprechenden Fächern (zumindest in meinem, der Geschichte) und offenbar auch in Christian Ferchs (der Philosophie) von traditionalistischen Professoren ver- wirrt werden. Christian Ferch führt aus, dass Es soll sich nun niemand Sorgen machen, dass hier zwei Akademiker abgehobene Universitätsdispute anzetteln. Das ha- ben Christian Ferch und ich sicher beide nicht vor. Die angesprochenen Probleme sind aktuell, weil sie zum einen unsere Weltanschau- ung, unsere Einstellung zu Leben und Ge- sellschaft und unseren Glauben an was auch immer bestimmen. Zum anderen sollten wir uns auch in grundlegenden ideologischen Fragen ei- nen eigenen Kopf machen, weil man sonst „… der Naturwissenschaftler „erklärt“, der Geisteswissenschaftler „versteht“, versucht es, oder ist zumindest auf dem Weg dahin.“ Das Konzept, Naturwissenschaft hier und Geisteswissenschaft dort, teilt die Welt, das Sein, oder wie auch immer man das Ganze nennt, in zwei Teile: in die Dicho- tomie von Menschheit einerseits und den gesamten Rest des Existierenden, inklusive der belebten und unbelebten Natur ande- rerseits. Dahinter stand das Konzept von den Men- schen als der Krone der Schöpfung, das Jahrtausende lang eine anmaßende Selbst- überschätzung der jeweiligen Bildungs- und Kultureliten – auch menschliche Hyb- ris genannt – prägte. Henne oder Ei Das, was die Menschen angeblich allem anderen voraus hatten, waren Geist und